Sonntag, 29. Dezember 2013 1:45
Aus der Lippischen Landeszeitung
Kantine Wulf schließt nach 50 Jahren
In der Augustdorfer Kaserne ist gestern eine Ära zu Ende gegangen. Die Kantine Wulf, die 50 Jahre lang zum Inventar gehörte, hatte zum letzten Mal geöffnet – und das wollten sich viele nicht entgehen lassen.
„Die 70 und die 72“, ruft Kantinenbetreiber Jürgen Wulf, während er zwei Teller aus der Küche nach vorne an den Tresen trägt. Auf der anderen Seite stehen die Soldaten Schlange. Schon gegen 9 Uhr holen sie sich hier Burger, Pommes und Hot Dogs oder auch ein Mettbrötchen und eine Tasse Kaffee. Heute ist die Atmosphäre aber ein bisschen anders als sonst: Abschiedsstimmung liegt in der Luft.
Der letzte Tag in der 50-jährigen Geschichte der Kantine Wulf läuft. „Das tut einem schon leid“, sagt der Betreiber. Immerhin sei die Kantine bereits seit ihrer Gründung in den Händen der Familie gewesen. Seine Eltern, die bis dato eine Gaststätte in Stukenbrock-Senne hatten, übernahmen sie zum 8. Mai 1963.
Jürgen Wulf selbst war zunächst Soldat beim Panzergrenadierbataillon 212, das direkt nebenan stationiert ist. Danach arbeitete er als Angestellter im elterlichen Betrieb, bevor er diesen am 1. April 1973 mit seiner Frau Jutta übernahm. „Ich war das gewöhnt. Aber es war schon auch harte Arbeit“, sagt der 70-Jährige, während er kassiert.
Direkt neben der Kasse gibt es ein großes Hallo. Matthias Baumann von der Reservistenkameradschaft, dem mittlerweile schon der Stuhl des Dienstältesten vorbehalten ist, und Stabsfeldwebel Andreas Mallmann begrüßen Peter Kretschmann, der als „Ehemaliger“ schon öfters mal in der Kantine Wulf vorbeischaut – auf einen Kaffee und einen Plausch mit dem Betreiber. „Es ist schade, dass er aufhört. Ich bin seit 25 Jahren in der Kaserne und immer gerne hierher gekommen“, sagt Mallmann. Anfangs habe es neben den Truppenküchen sogar drei Kantinen gegeben – Wenzel, Wasmus und Wulf. Künftig gibt es nur noch Winter, die zentrale Kantine.
Überhaupt hat sich mit den Jahren einiges verändert. Auch in den Gewohnheiten der Soldaten. Trafen sie sich früher gerne mal abends auf ein Bier, beschäftigen sie sich heute eher auf ihrer Stube oder fahren nach Hause. „Grund dafür ist auch der Wegfall der Wehrpflicht“, erklärt Peter Bilstein vom Bundeswehrdienstleistungszentrum, der sich zusammen mit Peter Fischer vom Teilbereich Logistik einen letzten Kaffee in der Kantine Wulf gönnt. Viele Soldaten kämen mittlerweile aus der unmittelbaren Umgebung. Und da ab 2015 noch einmal mit einer Personalreduzierung gerechnet werde, werde es auch keinen Nachfolger für die Kantine geben.
„Ist hier noch Einwickelpapier?“, fragt Jutta Wulf. Der letzte Greniburger ist in der Mache („Greni“ wegen der Grenadiere). Das Brötchen mit Fleisch, Salat, Ei, Käse und scharfer Soße nach einem Hausrezept ist bei den Soldaten sehr beliebt und an diesem Tag das letzte Mal in der Kaserne zu haben.
Der Vertrag der Wulfs geht zwar noch bis Jahresende, aber bis dahin stehen noch reichlich Aufräumarbeiten an. Und zwischendurch will sich das Ehepaar auch noch ein paar Urlaubstage an der Nordsee gönnen, bevor es endgültig in den wohlverdienten Ruhestand geht.
Der Zeitpunkt des Abschieds ist gekommen, die letzten Besucher verlassen an diesem Vormittag den Gastraum. „Alles Gute. Wir sehen uns ja noch“, heißt es. Hände werden geschüttelt. Dann marschiert Matthias Baumann mit „seinem“ Stuhl aus dem Raum. Ein kleines Andenken an viele Jahre Kantine Wulf.
Mit freundlicher Genehmigung der Lippischen Landes-Zeitung
Ausgabe Nr. 290 vom 14./15. Dezember 2013
Text und Fotos: Jana Beckmann
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